KONSUMENT: Herr Meschik - es gibt immer wieder die Forderung nach Regulierungen von Videospielen und bestimmter Praktiken wie Lootboxen. Wer soll da geschützt werden – und wovor?
Meschik: Schutzbedürftig sind vor allem Kinder und Jugendliche, Personen, die eine verringerte Impulskontrolle haben. Als Risikogruppe gelten Personen, die besonders anfällig sind und die viel Geld ausgeben. Es gibt da eine spannende Analogie zwischen Glücksspiel und Free-to-play-Spielen: Nur 5,5% der Spieler machen 67% des Umsatzes im Free-to-play-Bereich. Und das sind sicher nicht nur Personen, die viel Geld haben. Die Zahlen kommen aus dem Buch „Konvergenz von Gaming und Gambling“ von Ingo Fiedler et al. Das also sind verletzbare Bevölkerungsgruppen, die schutzwürdig sind.

Interview: Videospiele, Lootboxen regulieren
Viele Kinder geben zu viel Geld für Videospiele und deren Extras aus. Regulierungen könnten helfen. Ein Interview mit Markus Meschik.
Markus Meschik, PhD ...

Bild: Foto: Nelson
... forscht an der Universität Graz zu digitalen Spielen und Jugendkultur. Aktuell leitet er mit dem Projekt „Insert Coin to Continue“ eine Erhebung zu Geldausgaben in digitalen Spielen. Mit der Beratungsstelle enter in Graz unterstützt er Eltern und Fachkräfte im Umgang mit digitalen Medien in der Erziehung.
Sie haben an der Uni Graz selbst ein Forschungsprojekt laufen …
Ja, wir befragen repräsentativ 3000 Kinder und Jugendliche aus ganz Österreich; die sind zwischen 12 und 18. Das Projekt wird im Oktober 2023 abgeschlossen sein. Wir haben Motive erhoben: Warum geben Kinder und Jugendliche Geld aus für Gratisspiele? Wieviel geben sie aus? Wer gibt das Geld aus?
Wovor muss geschützt werden?
Die Menschen sollen Geld ausgeben, wofür sie wollen. Aber das tun sie nicht immer. Oft wecken die Hersteller die Wünsche. Da gibt es Elemente, die klar problematisch sind, wie etwa Lootboxen (https://konsument.at/lootboxen). Bei den Lootboxen gibt es so viele Ähnlichkeiten zum klassischen Glücksspiel, dass ist offensichtlich problematisch. Und dann gibt es noch Sachen, die noch übler sind als Lootboxen, wie zum Beispiel Step-up-Gacha, Spiele wie Final Fantasy. Gacha ist ein Sammelbegriff für alle Zufalls- oder Pseudozufallsmechaniken bei Videospielen, auch Lootboxen z.B.
Wenn man Zufall sagt, dann lügt man in Wahrheit eh schon oder ist zumindest ungenau. Denn in Wahrheit ist es ein Pseudozufall. Ein Algorithmus in dem Spiel entscheidet, was ich bekomme - oft basierend auf dem, was ich bereits habe. So hat die Spieleplattform EA, also Electronic Arts, z.B. Patente angemeldet, mit denen sie mir, je nachdem, welche Inhalte ich bereits habe, passende andere anbieten. Oder – basierend auf dem, was ich bisher getan habe - bei den Lootboxen andere Inhalte auszuspucken. Die wissen, ich habe dieses grüne Kostüm. Das besteht aus drei Teilen und wenn ich alle drei Teile habe, dann bin ich stärker in dem Spiel. Jetzt hab‘ ich zwei Teile von dem Kostüm und die trag ich die ganze Zeit und das weiß das Spiel, und dann weiß es auch noch, was ich suche. Das ist eine Verzerrung von Zufallsmechaniken. Das ist ähnlich wie bei Slotmachines (Anm.d.Red.: Glücksspielautomaten, Einarmige Banditen, kleines Glücksspiel). Im klassischen Glücksspiel ist es anders, denn ob die Kugel auf Rot, Schwarz oder Null landet ist tatsächlich Zufall.
Diese Mechaniken in den Spielen bedienen sich kognitiver Verzerrungen, also Denkfehlern bei den Spielern. Das ist so ähnlich, wie bei jenen, die beim Glückspiel mitschreiben: „Jetzt ist schon 12 Mal Rot gekommen“, sagen die sich und glauben, „jetzt ist die Chance größer, dass schwarz kommt.“ Das stimmt natürlich nicht, weil jedes Ereignis die gleiche Wahrscheinlichkeit hat. Insofern funktioniert das so nicht.
Was versteht man im Videospiel unter Chasing oder Sunken Cost Fallacy?
To chase heißt jagen und ist ein Verhalten aus dem Glücksspiel. Wenn ich heute 10.000 Euro verliere, dann muss ich, so denken viele betroffene Spieler, morgen die 10.000 Euro wieder reinholen. Ich jage diesen Verlusten nach.
Wir haben Interviews geführt, da sagen Jugendliche: „Da hab‘ ich in FIFA 50 Euro für Lootboxen ausgegeben und den Ronaldo nicht gewonnen! Ich muss jetzt noch mehr ausgeben, damit sich das ausgezahlt hat und muss das wieder wett machen.“ - Es gibt also dem Glückspiel ähnliche Mechaniken und kognitiven Verzerrungen, von denen die Anbieter profitieren.
Sie haben eine Liste von Regulierungsvorschlägen - Visualisierung z.B.
Ja. Visualisierung bedeutet angefallene Kosten sichtbar machen. Offiziell ist es in vielen Ländern bereits der Fall, z.B. in China. Und in Österreich ist es so, dass der App-Store von Apple sagt: Sie visualisieren die Gewinnwahrscheinlichkeiten. Wenn ich eine Lootbox kaufe, auch bei FIFA in Österreich, dann kann ich mir anzeigen lassen, dass es eine Chance von 0,1 Prozent gibt. Ist aber ziemlich versteckt. Oder manchmal steht auch „Die Chance einen legendären Spieler zu bekommen ist kleiner als 0,1%“. Ich halte die angezeigten Wahrscheinlichkeiten für wenig transparent. Welchen Spieler man bekommt, weiß man nicht. Auch das ist leider sehr intransparent. Wir wissen weder, was „weniger als 0,1%“ bedeutet, wir wissen auch nicht, wie sich die Lootbox zusammenstellt. Diese Angabe zur Gewinnwahrscheinlichkeit ist nur eine Pro-forma-Information. Es ist auch nicht möglich zu überprüfen, ob sie stimmt, weil der Quellcode von FIFA nicht einsichtig ist. Die können reinschreiben, was sie wollen.
Was etwas bringen würde, wäre vielleicht die Anzeige, dessen, was ich als spielende Person ausgegeben habe, und zwar bei jedem Kauf. Wenn ich auf den Knopf „Kaufen“ drücke und dann steht da etwa: „Sie haben bis jetzt 1700 Euro ausgegeben. Möchten Sie weiterhin Geld ausgeben?“ Jede Irritation ist da hilfreich. Das meine ich mit Visualisierung des investierten Geldes.
Sie sind auch für die Erhöhung der Hemmschwellen?
Freigabe der Zahlung durch ein Passwort ist dafür nur ein Beispiel. Einer der gefährlichsten Momente im klassischen Glücksspiel für die Entwicklung von Suchtverhalten ist die Ereignisfrequenz. Also die Häufigkeit, in der ein gewisses Glücksspiel-Ereignis stattfinden kann. Deswegen ist Lotto volkswirtschaftlich gesehen ein großer Gewinn - für die Glücksspielindustrie und die ganze Republik, weil es bei Lotto ganz wenige Menschen gibt, die Suchtverhalten entwickeln. Es gibt zwei Auszahlungen in der Woche und man kann nicht sagen: „Ich will heute 20 Auszahlungen haben. Vielleicht hab‘ ich da mehr Chancen zu gewinnen.“ Die Ereignisfrequenz ist ausschlaggebend. Kinder und Jugendliche setzen sich gern hin und machen gern eins nach dem anderen auf. Das ist problematisch, weil dann ist dieses Glückspiel-Spannungselement ständig da. Man kann das auch sehen bei den YouTubern. Die kaufen sich 100, 200 Lootboxen, machen eine nach der anderen auf und Tausende von Menschen schauen zu. Da würde ich sagen: Es bräuchte einen Schritt mehr in Richtung rationaler Konsument. Deswegen der Vorschlag: Bei jedem Kauf muss ich ein Passwort eingeben.
Wie ist es mit Fremdsperre, Selbstsperre, Ausgabenobergrenze?
Mit so einer Sperre ist es nicht möglich hundert Lootboxen zu kaufen. Dann kann ich mir maximal drei zulegen. Dann muss ich die aufmachen und wieder den Kaufvorgang starten. Das bringt Zwangspausen, wo ich kurz wieder nachdenke, „Brauch ich das jetzt wirklich?“
Wenn ich weiß: Ich habe ein Problem mit dem Spiel und will nicht tausende Euro ausgeben, weil ich weiß, 200 Euro im Monat gehen sich bei mir aus, dann muss die Möglichkeit bestehen dem Anbieter zu sagen: „200 Euro ist meine oberste Ausgabegrenze“. Da sind wir schon sehr nahe am Glückspiel. Die Selbstsperre muss es geben; Fremdsperre ebenfalls. Wenn ein Minderjähriger ein Spiel spielt und der soll nicht mehr als 20 Euro pro Monat ausgeben, dann ist es absurd, dass es das nicht gibt.
Was halten Sie von Alterskontrolle?
Eine etwas höherschwellige Maßnahme wäre die Kontrolle des Alters. Da sagen die Firmen: „Wie sollen wir das logistisch machen?“ Das ist überhaupt kein Problem. Spielen kann dann nur, wer eine Kredit- oder Bankomatkarte hat. Die Paysafekarten sind wirklich problematisch für Kinder und Jugendliche, die würden wegfallen. Das sind diese Guthabenkarten, die man beim Billa kaufen kann. Über die geben die meisten Kids das Geld aus – 100 Euro, 500 Euro – und das mit 13 Jahren. Die Alterskontrolle würde zwar den erwachsenen Videospielern nicht viel bringen, natürlich. Die können die Kreditkarte nehmen. Aber sie würde Kinder und Jugendliche besser schützen. All die ganzen Krypto-Trading-Seiten: Die machen alle Altersverifizierung. Man zeigt seinen Ausweis, unterschreibt und danach ist man verifiziert. Die Alterskontrolle würde die Hemmschwelle erhöhen.
Die Mobile-Games-Industrie funktioniert normalerweise so, dass Spiele entwickelt werden, die nicht fertig sind. Und die werden auf den Markt geworfen. Und sobald Leute anfangen zu kaufen, wird das Spiel fertig gemacht. Da kommen jeden Tag hunderte solcher Spiele raus, und ein paar davon werden halt erfolgreich. Da ist die Frage, ob die das alle so machen können mit Altersfreigabe. Müsste man halt ändern.
Regulierung durch Auszahlung, also Cash-out-Option?
Normalerweise zahlt man in das Spiel ein, bekommt aber nichts raus. Die Spiele selbst bieten diese Cash-out-Option meistens nicht an. Die werden aber über Drittanbieter gestaltet. Seiten wie opskins.com (nicht mehr online, Anm. d.Red.), bitskins.com, swap.csgolounge.com oder loot.farm/en/ z.B. Da werden Skins (Kleider, Oberflächen, Ausstattung; Anm. d. Red.) angeboten. Sie haben keinen Einfluss auf die Stärke. Die kann man kaufen und verkaufen. Wenn man so was in einer Lootbox findet, hat man Glück gehabt. Dann kann ich das Stück für 850 Dollar verkaufen und bekomme 765 Dollar, also minus zehn Prozent Gebühr. Und das machen einige männliche Personen in unseren Interviews. Einige haben gesagt: Sie haben sich schon einen Batzen Geld verdient mit Bitskins. Die, die viel verloren haben, die werden wahrscheinlich nicht viel erzählen. Das gibt es bei ganz vielen Spielen. Das Problem ist, dass diese Seiten völlig unreguliert sind. Ich kann in einem Spiel wie Counterstrike einen Skin gewinnen und verkaufen. Oder ich kauf um drei Euro, mach auf, hab Glück und krieg dafür viertausend Euro.
Machen die Spiel-Plattformen beim Handeln mit?
Skins sind wie eine Krypto-Währung und werden auch so behandelt. Das Ganze ist nur möglich, weil es Firmen wie Steam gibt. Steam erlaubt diese Käufe. Sie sagen zwar, sie tun was dagegen, aber im Grunde verdienen die daran mit und erlauben es. Um bei Steam was zu kaufen, muss ich dort ein Guthaben haben - per Kredit- oder Bankomatkarte. Jetzt macht Steam diesen In-Game-Markt auf für Spiele wie Counterstrike, Team Fortress und Overwatch und eine Handvoll anderer Spiele. Das sind so Spiele, die nur auf Steam laufen und die Skins anbieten. Jetzt haben die Betreiber bemerkt: Die Leute tauschen gern. Sie haben einen seltenen Skin, da können wir tauschen. Ich kann auch zurückverkaufen an Steam und bekomme Steam-Geld; das Geld fließt in den Steam-Account. Und dann sind findige Seiten hergekommen wie Bitskins, die haben gesehen: tauschen ist möglich, Geld auszahlen ist möglich … Wie viel ist dir dieser Skin wert? Dann regelt die externe Plattform Bitskins diesen Kauf und Tausch und den Geldtransfer. Steam profitiert auch finanziell davon, weil es eine Marge nimmt für diesen Skin und weil das das Spiel am Leben erhält. Es gibt einen riesigen In-Game-Markt mit Kursen, Währungen, hunderten von Charts. Da müsste man Betriebswirtschaft studiert haben, damit man versteht, wie der In-Game-Skins-Markt funktioniert ...
… das ist Marktwirtschaft im Spielbereich.
So ist es. Da werden die Spekulant:innen von morgen geboren.
Sie möchten mit Daten der Gaming-Industrie Forschung betreiben?
Ja. Es gibt den Vorwurf der Industrie, dass die Datenqualität der Studien auf denen Regulierungen aufbauen wollen, nicht immer optimal ist. Diese Studien arbeiten mit Personen, die im Gaming-Bereich sehr viel unterwegs sind. Aber meine Oma zum Beispiel kommt in der Erhebung nicht vor. Auf diese Weise erhält man ein verzerrtes Bild und die Industrie sagt: „Es stimmt nicht, dass so viele Leute so viel Geld ausgeben.“ Dann sag ich: „Gut. Ihr habt die Daten. Gebt sie her, lasst sie uns gemeinsam ansehen und wir finden gemeinsam Regulierungen, die Sinn machen, die die Personen schützen, und die euch trotzdem noch arbeiten lassen.“
Kooperieren die Firmen und stellen sie Daten zur Verfügung?
Sie haben sich bisher quergestellt, deswegen waren wir gezwungen selbst Daten zu erheben. Da haben wir ein sehr gutes Datenniveau zustande gebracht. - Habe Google angeschrieben, aber das ist sehr schwierig. Ich habe über saferinternet.at einige Firmen versucht zu kontaktieren.
Gibt es Regulierungen, die wahrscheinlich umgesetzt werden?
Die Erhöhung der Hemmschwelle der Käufe ist hier der Sweet-Spot. Ist leicht umsetzbar und schützt besonders schutzwürdige Personen. Da geht es nicht nur um Regulierungen, sondern um eine Industrie-Norm, die da entstehen muss. So eine Norm kann sein: Es ist nicht normal, dass ein Spiel startet und man als Gamer sofort in den Shop kommt. Da wird man zuerst mit drei, vier Angeboten bombardiert. Die muss man wegklicken und dann erst kann man das Spiel spielen. Eine Industrienorm kann sagen, dass das zu aggressiv ist. Die Leute wollen ein Spiel spielen und nicht im Shop herumeiern. Solche Sachen kann man im engeren Sinn nicht verbieten. Da muss man eine gemeinsame Basis finden, auf der das sinnvoll möglich ist.
Ich will auch nicht alle Firmen verteufeln. Es gibt Aspekte, die total legitim sind, weil Firmen damit Geld verdienen, und manche machen das auf eine feine Art und Weise. Und dann gibt es Spiele, die sehr aggressiv und nicht Konsument:innen-freundlich sind. Predatory nennt sich der Begriff im Englischen, sich raubtierhaft an den Schwächsten der Gesellschaft bereichern. Da muss man in den Markt eingreifen und sehr differenziert sein.
Welche Spiele oder Firmen sind besonders aggressiv?
Tendenziell sind es eher Mobile Games, also auf Smartphone und Tablet. Spiele wie Brawl Stars zB. das ist sehr bekannt und beliebt, das ist sehr aggressiv. Wenn sie das runterladen, dann werden sie oft Benachrichtigungen und Daily rewards bekommen.

Die arbeiten mit ganz vielen dieser Dark Patterns (üble Tricks im Online-Bereich, Anm.d.Red). Diese Spiele dienen nicht dem Spielspaß, sondern der Steigerung der Einnahmen. In den Interviews mit den Jugendlichen hören wir, dass es eigene Spiele gibt, die nur die Lootboxen von Brawl Stars simulieren. Die sagen: „Ich spiel gar nicht Brawl Stars, ich mach nur Loot Boxen auf in Brawl Stars. Und da freue ich mich.“ Ähnliche Sachen hab‘ ich gefunden bei FIFA und Counterstrike. Da sagen Befragte: „Ich spiel das Spiel und bin frustriert, weil ich verloren habe und zur Entspannung und Belohnung mache ich ein paar Lootboxen auf.“ Oder sie gewinnen und machen zur Belohnung Lootboxen auf.
Zwei getrennte Spiele
Das Spiel und die Lootboxen sind in Wahrheit zwei getrennte Spiele. Ich glaube auf diese Weise kann man Regulierungen am ehesten durchbringen, wenn man sagt: Ich will nicht FIFA verbieten, FIFA ist fein. Aber das Lootbox-Öffnen hat mit FIFA nur insofern zu tun, als es mit Gewalt hineingepresst worden ist, damit die Hersteller Geld verdienen. Lootboxen sind ein eigenes Spiel und werden von den Spielern auch so behandelt wie ein eigenes Spiel – mit eigenen Regeln und eigener Spielmechanik, und wenn man Glück hat, kann man es mit einem anderen Spiel verbinden. Das ist mir klar geworden in den Interviews mit den Jugendlichen.
Welche Rolle hatten Sie beim Prozess gegen Sony/FIFA in Hermagor?
Ein Spieler hat Sony wegen des Spieles FIFA geklagt und ich war als Zeuge geladen. Es gab zwei getrennte Verhandlungen. Eine in Wien am Floridsdorfer Bezirksgericht, die leider verloren worden ist. Der Prozess geht in die zweite Instanz. Und eine in Hermagor. Beide haben einen sehr geringen Streitwert. Wir haben den Prozess in Kärnten gewonnen, weil das Gericht beschlossen hat, dass es sich um Glückspiel handelt. Diese Gerichtsverhandlung war in allen Medien. Es war wohl europaweit oder weltweit eine der ersten Gerichtsverhandlungen, die eindeutig gesagt haben: „Das ist Glücksspiel.“ Sony ist der Abwickler der Spiele und der Zahlung. Interessant ist, dass Sony keinen Einspruch eingelegt hat und das Gerichtsurteil rechtskräftig geworden ist.
Es hat doch schon Strafen gegen Electronic Arts (EA) gegeben?
Ja. Das bezieht sich auf die Niederlande, wo Lootboxen als Glücksspiel eingestuft und Strafen gegen EA ausgesprochen worden sind – in Millionenhöhe. Aber der Oberste Gerichtshof der Niederlande hat das wieder aufgehoben mit der Aussage, dass das doch kein Glücksspiel sei. Es ist ein Hin-und-her gewesen.
Ich finde, wir sollten vorsichtig sein mit den Regulierungen, um zu vermeiden, was in Belgien passiert ist. Da gibt es ein Verbot von Lootboxen und es kann nicht durchgesetzt werden. Das ist das Worst-Case-Szenario, denn das höhlt den Rechtsstaat aus.
Gibt es noch andere heiße Themen in diesem Bereich?
Ja. Es gibt neben Lootboxen andere Mechaniken, die noch perfider sind: Step-up-Gacha etwa.
Das funktioniert folgendermaßen: Ich habe heute am Monatsersten eine 1%-Chance, einen legendären Gegenstand zu finden. Wenn ich 500 Euro ausgegeben hab, hab ich eine 5%-Chance einen legendären Gegenstand zu finden. Nachdem ich 1000 Euro ausgegeben habe, hab ich eine 10%-Chance und wenn ich 5000 Euro ausgegeben hab, hab ich eine Chance von 80%. Je mehr Geld ich ausgebe, desto bessere Gegenstände bekomme ich. Und am 30. des Monats kommen neue Gegenstände auf den Markt. Super. Höhere Wahrscheinlichkeiten. Noch mehr Geld ausgeben. Und ich weiß: Am ersten des nächsten Monats fällt die Wahrscheinlichkeit wieder zurück, egal, wie viel ich vorher ausgegeben hab. Da fang ich mit Null wieder an. Da werde ich also mit den guten Wahrscheinlichkeiten am Monatsende gepusht noch viel Geld auszugeben. Das führt dazu, dass Ausgaben von 5000 Euro im asiatischen Raum, wo die Step-up-Gacha beliebt sind, keine Seltenheit sind.
Wie gefährlich ist die Sucht bei Videospielen?
Ich würde Sucht nicht mit Videospielen in Zusammenhang bringen und vermischen. Es wird Kombinationen geben, wo Menschen viel Zeit mit Videospielen verbringen und viel Geld ausgeben, logisch. Es gibt genug Menschen, die kein Suchtverhalten haben und trotzdem große Mengen Geld ausgeben. Es gibt keine Videospielkaufsucht in dem Sinn. Es gibt Glücksspielsucht und es gibt Gaming Disorders. Die beiden überlappen sich. Ich würde das Pathologisieren weglassen, denn das schwächt unser Argument. Weil es dann heißt: Das betrifft die wenigen Menschen, die ein Suchtverhalten haben – ein Prozent in Österreich.
Studie erscheint im Herbst 2023
Hohe Ausgaben hingegen betreffen sicher mehr als die Hälfte aller Jugendlichen, die Geld für Videospiele ausgeben. Suchtähnliches Verhalten hingegen betrifft weniger als ein Prozent. Genaueres zum Geldausgaben im Videospiel kann ich ihnen erst im Oktober 2023 sagen; da liegt die Studie vor. Die Arbeiterkammer und die Nationalbank fördern die Untersuchung und werden die Ergebnisse präsentieren.